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Ein gewitzter Possenreißer
Skizzen aus dem
Leben von Pierre Maria de
Wessenberg in Konstanz
Ignaz Heinrich von
Wessenberg (1774-1860) ist ein Name, der mit
Konstanz verknüpft ist. Stand der Freiherr doch
als Generalvikar (1802-1817) und Verweser des 1827
endgültig aufgelösten Bistums Konstanz an der
Spitze der Diözese. Er galt als Reformer, und als
er 1860 starb, hinterließ er seine Kunstsammlung
sowie die 26000 Bände umfassende Bibliothek der
Stadt.
Das so genannte "Wessenberg-Haus" ist
heute in das Kulturzentrum am Münster integriert
und dient als Ausstellungsort der Städtischen
Wessenberg-Galerie, deren Basis die Sammlung des
Freiherren bildete. Um an Ignaz Heinrich von
Wessenberg ein Andenken zu bewahren, sind ihm in
der Galerie zwei Räume gewidmet.
In Ignaz Heinrich sieht ein heutiger Nachfahre,
Peter Heinrich von Wessenberg, den bislang
bekanntesten Wessenberg. Um die Familienforschung
ein Stück weiter zu treiben und dabei weitere Früchte
tragende Sprosse des Stammbaums zu entdecken, hat
er vor einem Jahr eine Akademie gegründet, die im
aargauischen Hottwil angesiedelt ist. Anlässlich
einer ersten Tagung, die in Konstanz abgehalten
wurde, stellte Peter Heinrich von Wessenberg mit Pierre
Maria de Wessenberg (1858-1942), einem
Urgroßneffen von Ignaz Heinrich, eine konkrete
weitere Spur vor. Die teilweise in den 20 Tagebüchern
vorgefundenen Zeichnungen werden nun in der
Wessenberg-Galerie gezeigt.
Begleitend zur Ausstellung hat Peter Heinrich von
Wessenberg ein Buch herausgegeben, das die meist
heiteren Zeichnungen in direkten Zusammenhang mit
den entsprechenden Tagebuchnotizen stellt. Die
zweifellos mit leichter Hand und Begabung
gefertigten Zeichnungen bleiben als Exponate im
Gegenzug ohne systematisch ausgerichteten
Kommentar.
Pierre Maria de Wessenberg
wurde 1858 in Paris geboren und verbrachte seine
Kindheit in Biarritz, Gibraltar, auf dem
Schlossgut Dietenitz (heute in Tschechien) und am
Golf von Biscaya. All diese Orte sind in lebhaften
Skizzen festgehalten, und auch die im Buch
anzutreffenden Aufzeichnungen deuten auf
einen wachen Geist. Bereits als Vierzehnjähriger
lernt er in der etwas älteren Maud Cleopatra
Massie seine spätere zweite Frau kennen. Zunächst
zeichnet er die Orte seiner Jugend und das
Fischen, das ihm noch vor der Jagd eine erste
Leidenschaft wird. Ab 1873 folgen diverse
Kadettenschulen zwischen Pressburg, dem Balkan und
Italien, bis er 1884 im diplomatischen Dienst in
Paris ankommt. Bereits ein Jahr später ist
er wieder in Österreich, 1910 wird er
pensioniert. Nach dem Tod seiner Frau Aurelia und
des Sohnes Viktor heiratet er 1914 Maud und übersiedelt
zeitweilig nach England. Die Nationalitätenfrage
wurde bei Kriegsausbruch zum Problem. Bis zu
seinem Lebensende wohnt er abwechselnd in Österreich
und England.
Pierre Maria de Wessenberg
hat in Zeichnungen den einsamen Angler
festgehalten, ebenso Stolz und Furcht bei frühen
Kutschfahrten. Das Leben in militärischen
Einrichtungen karikiert er als Posse, dabei sind
Vorgesetze wie tumbe Toren Ziel seines Spottes. So
wie er sich schreibend der deutschen, französischen
und englischen Sprache bediente, so rief er in
seinen Zeichnungen stille Augenblicke und überschwängliche
in Erinnerung. Und sogar Erhabenes: in Ölgemälden
von der Fregatte Novara etwa, auf der er 1877 während
seiner Marine-Ausbildung durchs Mittelmeer
gekreuzt war.
Brigitte Elsner-Heller
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