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29.07.2002  

Ein gewitzter Possenreißer



Skizzen aus dem Leben von Pierre Maria de Wessenberg in Konstanz

Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774-1860) ist ein Name, der mit Konstanz verknüpft ist. Stand der Freiherr doch als Generalvikar (1802-1817) und Verweser des 1827 endgültig aufgelösten Bistums Konstanz an der Spitze der Diözese. Er galt als Reformer, und als er 1860 starb, hinterließ er seine Kunstsammlung sowie die 26000 Bände umfassende Bibliothek der Stadt.
Das so genannte "Wessenberg-Haus" ist heute in das Kulturzentrum am Münster integriert und dient als Ausstellungsort der Städtischen Wessenberg-Galerie, deren Basis die Sammlung des Freiherren bildete. Um an Ignaz Heinrich von Wessenberg ein Andenken zu bewahren, sind ihm in der Galerie zwei Räume gewidmet.
In Ignaz Heinrich sieht ein heutiger Nachfahre, Peter Heinrich von Wessenberg, den bislang bekanntesten Wessenberg. Um die Familienforschung ein Stück weiter zu treiben und dabei weitere Früchte tragende Sprosse des Stammbaums zu entdecken, hat er vor einem Jahr eine Akademie gegründet, die im aargauischen Hottwil angesiedelt ist. Anlässlich einer ersten Tagung, die in Konstanz abgehalten wurde, stellte Peter Heinrich von Wessenberg mit Pierre Maria de Wessenberg (1858-1942), einem Urgroßneffen von Ignaz Heinrich, eine konkrete weitere Spur vor. Die teilweise in den 20 Tagebüchern vorgefundenen Zeichnungen werden nun in der Wessenberg-Galerie gezeigt.
Begleitend zur Ausstellung hat Peter Heinrich von Wessenberg ein Buch herausgegeben, das die meist heiteren Zeichnungen in direkten Zusammenhang mit den entsprechenden Tagebuchnotizen stellt. Die zweifellos mit leichter Hand und  Begabung gefertigten Zeichnungen bleiben als Exponate im Gegenzug ohne systematisch ausgerichteten Kommentar.
Pierre Maria de Wessenberg wurde 1858 in Paris geboren und verbrachte seine Kindheit in Biarritz, Gibraltar, auf dem Schlossgut Dietenitz (heute in Tschechien) und am Golf von Biscaya. All diese Orte sind in lebhaften Skizzen festgehalten, und auch die im Buch anzutreffenden Aufzeichnungen  deuten auf einen wachen Geist. Bereits als Vierzehnjähriger lernt er in der etwas älteren Maud Cleopatra Massie seine spätere zweite Frau kennen. Zunächst zeichnet er die Orte seiner Jugend und das Fischen, das ihm noch vor der Jagd eine erste Leidenschaft wird. Ab 1873 folgen diverse Kadettenschulen zwischen Pressburg, dem Balkan und Italien, bis er 1884 im diplomatischen Dienst in Paris ankommt. Bereits ein Jahr später ist er  wieder in Österreich, 1910 wird er pensioniert. Nach dem Tod seiner Frau Aurelia und des Sohnes Viktor heiratet er 1914 Maud und übersiedelt zeitweilig nach England. Die Nationalitätenfrage wurde bei Kriegsausbruch zum Problem. Bis zu seinem Lebensende wohnt er abwechselnd in Österreich und England.
Pierre Maria de Wessenberg hat in Zeichnungen den einsamen Angler festgehalten, ebenso Stolz und Furcht bei frühen Kutschfahrten. Das Leben in militärischen Einrichtungen karikiert er als Posse, dabei sind Vorgesetze wie tumbe Toren Ziel seines Spottes. So wie er sich schreibend der deutschen, französischen und englischen Sprache bediente, so rief er in seinen Zeichnungen stille Augenblicke und überschwängliche in Erinnerung. Und sogar Erhabenes: in Ölgemälden von der Fregatte Novara etwa, auf der er 1877 während seiner Marine-Ausbildung durchs Mittelmeer gekreuzt war.
Brigitte Elsner-Heller



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