Das
Schreiben von Lord Stanhope aus Turin, 19. April 1854 (Familienarchiv) |
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Dieses Schreiben ist in den
unveröffentlichten Manuskripten Band II, Kurt Aland, 1987, „Briefe
des Johann Philipp an seinen Bruder“ auf S.727 als verschollen
bezeichnet worden. |
Turin
19. April 1854 Ich schreibe ein paar Zeilen um Ihnen mein
theurer Freund, für Ihren Brief des 4. d.M., den ich in Genua erhielt
zu danken und die Nachricht mitzutheilen, dass ich auch sehr bald in
Constanz anzukommen gedenke, wo ich die doppelte, mir sehr erwünschte
Freude zu genießen hoffe, Sie und Ihren Herrn Bruder wieder zu sehen.
Ich brauche nicht zu sagen, wie sehr ich Ihren Umgang und den seinigen
schätze und liebe. Hier muß ich bis
übermorgen den 21. bleiben und es ist meine Absicht, den Weg über den
Gotthart Berg zu nehmen, der, wie ich höre, jetzt ohne Unsicherheit
oder Unbequemlichkeit zu befahren wäre. Ich werde mich herzlich freuen,
wieder in dem lieben Deutschland zu seyn und bin sehr begierig, den
Psychograph zu bekommen, den ich mir aus Berlin verschrieben habe und
den man mir in Stuttgart befördern soll nebst einigen darauf bezüglichen
Broschüren. Man schreibt mir aus England, dass der berühmte
Schriftsteller Bulwer Lytton aus seiner eigenen Erfahrung gefunden hat,
dass es selbst werkend ist, das heißt, durch die Kraft der Geistern
in Bewegung gesetzt wird und ich weiß ganz zuverlässig daß er,
um einen Geist zu prüfen verlangt hat, dass er ihm ein Geheimniß sagen
sollte welches im Innersten seines Herzens verborgen bleibt und von
Niemanden gekannt ist und dass die Antwort ganz richtig war. Nachdem ich
eine längere Erfahrung von den Mittheilungen der Geister habe und eine
noch größere Sammlung von Thatsachen denke ich ein Werk darüber zu
schreiben. Die Wirklichkeit der Erscheinungen ist nicht von der
katholischen Geistlichkeit bestritten worden und wird auch von zwey
Englischen Geistlichen in ihren gedruckten Werken vollkommen anerkannt.
Die Mittheilungen aber wurden von jenen wie von diesen, bösen Geistern
oder Dämonen, zugeschrieben, ob sie wohl die vortreffliche Wirkung
schon gehabt haben viele Unwissende oder Unglaubende vollkommen zu
bekehren, indem sie ihnen, was auf anderen Wegen unthunlich wäre, die
Wahrheit und Wirklichkeit der Geisterwelt bewiesen und ihnen daher das
Glauben an die Unsterblichkeit der Seele tief in ihrem Herzen einprägten.
Wenn der große Bär
des Nordens nicht ganz toll und verrückt ist, welches man doch wohl
vermuthen darf, so wird er sich hüten, seine Flotte nach Sebastopol(?)
zu bringen und dort würde sie vielleicht in Sicherheit bleiben.
Anderswo, auf dem Schwarzen Meer werden die vereinigten Flotten ihn
angreifen können und Circapien (?)
kann man schon als befreyt ansehen, da die nördlichen Barbaren
schon ihre dortigen Festungen verlassen haben und „der zweyte
Prophet“ der Schamyl sein Vaterland so viele Jahre hindurch heroisch
verteidigt hat. Ich erwarte mit
großer Ungeduld Nachrichten aus dem Baltischen Meer wo Napie, den ich
persönlich kenne, vieles unternehmen kann, und ich habe in Galignani,
einen Bericht gelesen worin behauptet wird dass man
Petersburg beschießen könnte. Er hat bekanntlich eben so viel
Talent als Tapferkeit, einige befürchten aber, dass er in seinen
Unternehmungen zu viel wagen würde. Wie gesagt, ich
denke am 21. meine Reise anzufangen die vermutlich 8-9 Tage dauern wird
und ich habe also die große Hoffnung am Ende dieses Monats in Constanz
anzukommen. Haben Sie die Güte,
Ihrem Bruder ganz herzlich von mir zu grüßen und diesen Brief ihm
mitzutheilen. Mein herzlicher
Gruß an alle die Ihrigen ohne die liebenswürdige schöne Olga zu
vergessen Ihr treuer ganz
ergebener Freund Graf Stanhope |
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Das
Schreiben von Lord Stanhope, Rom 17.2. 1854 (Familienarchiv) |
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Es ist mir immer ein wahrer Genuss, mein theurer Freund, einen Brief von Ihnen zu erhalten, doch bey dieser Gelegenheit muß ich herzlich bedauern, daß Ihre Gemahlin, wie auch Ihre Tochter, noch immer leidend sind und dass Sie überhaupt so viel häusliches Unglück haben. Gott
gebe, daß es allen den Ihrigen bald besser gehen mag! Glücklicherweise
hat die Vorsehung Sie mit einem Gemüth gesegnet, der das alles mit
Geduld und Sanftmut zu ertragen weiß, und Ihr eigenes Beyspiel gab die
Wahrheit der Sprüche beurkundigt die in der Heiligen Schrift zu lesen
sind: “Wer ein fröhliches Herz besitzt,
hat einen immerwährenden Genuß“ und „ein fröhliches Herz
wirkt wie Arznei“. Ich
habe für mein Werklein über dem zukünftigen Leben folgende Zeilen aus
Milton als Spruch oder Devise gewählt: „That
of height of this great argument I may a Eternal Providence and justify
the ways of God to Man“ Mein
Zweck ist zu beweisen, daß dieses nur durch die Lehre der
Seelenwanderung zu erklären ist, wie auch daß die Seele in freier
eigener Natur unsterblich seyn muß. Wenn das Werklein gedruckt sein
sollte, so werde ich mich nicht schämen oder scheuen es unter meinem
Nahmen erscheinen zu lassen und unterdessen werde
ich Sie bitten, es in einer sehr guten Handschrift dur(ch)zulesen.
Sollten Sie noch in Freiburg seyn, als ich von Constanz abreise, so wäre
es mein sehnlicher Wunsch Sie noch dort zu besuchen. Nachher denke ich
nach Stuttgart zu reisen um meine neue verbesserte Auflage meines
„Allgemeines Gesangsbuch“ drucken zu lassen und später würde ich
in Carlsruhe zwei Freunde erwarten die aus England kommen sollen mich
dort anzutreffen. Der „Psychograph“ des Baron Wagner, worüber der
Oberstlieutnant Freiherr von Forster (?) eine Vorlesung in Berlin
gehalten hat, ist, wie Sie es wohl denken, für mich höchst anziehend
und ich wünsche mir eine zu verschaffen, wie auch die Vorlesung, wenn
sie gedruckt ist. Auch in Paris ist ein Werk erschienen unter dem Titel
„Sauvono le genre humain par M. Victor Hennequin“, welche sehr
interessante Mittheilungen, die dem Verfasser gemacht wurden, erhalten
soll und ich habe es schon mir verschreiben lassen, nach Genua mir
zuzusenden. Sie
sagen daß ein Korrespondent von jenseits Ihnen erwünscht wäre. Den
habe ich schon und zwar in einem sehr treuen und theuren Freunde, dessen
unzeitigen Verlust ich nicht verschmerzen kann, doch sind die Mittel,
Mittheilungen von ihm zu erhalten nicht immer vorhanden. Auf meine Frage
ob er jetzt glücklich war? sagte er „sehr“, und er gab mir auch die
Versicherung daß er nicht wünscht in diese Welt zurückzukehren. Unter
gewissen Umständen bewegt sich meine Hand unwillkürlich Antworten von
ihm nieder zu schreiben. Ich
weiß ganz gewiß aus einer zuverlässigen Quelle daß die Abtretung von
Palmerston welche, wie Sie wissen, nur ein paar Tage dauerte, gar nicht
von der orientalis(ch)en Frage herrührte, sondern einzig und allein von
seinen Bedenklichkeiten über die neue Reform. Man behauptet zwar daß
er einen sehr vernünftigen Rath gab, den man hatte befolgen sollen, die
beiden Flotten nach Constantinopel zu schicken, sobald als die
Barbaren des Nordens in die Fürstenthümer einrückten. Ich habe
es niemals bezweifeln hören, daß diese Nachricht begründet war und in
diesem Falle hat er sich schon abermals zurückziehen sollen, denn die zögernde
zaghafte Politik des armseligen Aberdeen´s hat eigentlich den Krieg
fortgeführt indem der russische Ursa Major, der jetzt halb, wo nicht
ganz verrückt seyn sollte, sich nicht vorstellen konnte, daß die
Englische Regierung im Ernste war. Es scheint jetzt ausgemacht zu seyn,
daß die Maßregeln der Französischen Regierung von der Englischen
gehemmt würden daß der tyrannische treulose Ursa nur Zeit gewinnen
wollte daß sein Betragen ganz „fraudulent“ war wie der J.Rufsell es
nannte, daß alle seine Vorwände nur seine Eroberungssucht bemänteln
sollten und daß sein Minister Nesselrode ein unverschämter Lügner
ist. Man schreibt mir aus England daß die dortige Stimmung sehr
kriegerisch ist, und daß man mit Ungeduld den Anfang der
Feindseligkeiten entgegensieht, es ist aber zu erwarten daß man auf
andere Gedanken kommen wird wenn nur Auflagen und eine erhöhte
Einkommenssteuer die jetzt so schwere Last vermehren. Als mein
Verwandter Pitt im Parlament gefragt wurde „was ist eigentlich der
Zweck des jetzigen Krieges?“ antwortete er sehr richtig: „Indemnity
for the Past and Security for Future“. Dieses ist auch jetzt der Fall
und es ist für die allgemeine Wohlfahrt für Europa notwendig dem
Autocrat oder Selbstbeherrscher, der sich selbst nicht beherrschen oder
bezähmen kann zu zeigen, daß er nicht ungestraft die Frieden der Welt
stören darf, daß es ihm nicht wieder erlaubt seyn wird, seine Klauen
nach dem zwei Fürstenthümern auszustrecken, deren Einwohner wie seine
eigenen Sklaven zu behandeln, sie auszuplündern, sie zu zwingen Krieg
gegen ihren rechtmäßigen Herren zu führen wie auch seine unersättliche
Eroberungssucht zu erzwingen und ihn das frevelhafte Glauben abzunehmen
daß er eine göttliche Kraft besitzt. Ist er denn so verstockt um nicht
einsehen zu können daß durch seinen Uebermuth Revolutionen könnten überall
entstehen, und daß er selbst ein Opfer zu der Unzufriedenheit seiner Völker
werden könnte. Der Kommandant in Sebastopol hat nicht verhindern können
daß in der Nacht und bey dicken Nebel ein englisches Kriegs-Schiff in
den Hafen kam, doch, wie man mir erzählt hat.......Ursa ihn verurteilt
bis zum Rang eines gemein(en Sol)dats herabgesetzt zu werden, und in den
Bergwerken zu arbeiten. Die hier anwohnenden Offiziere der englischen
Armee haben den Befehl erhalten unverzüglich nach Malta zu gehen, wo
man auch eine der königlichen Garden erwartet.
Ihr
Brief des 16.d.M. ist hiergeblieben und erst am 19.d.M., dem Tag nach
meiner Ankunft, zu meinen Händen gekommen. Ich hoffe sehr bald Ihren
Bruder für seinen Brief zu danken und ich bitte Sie alle die Ihrigen
von mir sehr herzlich zu grüßen. Sagen Sie dem schönen liebenswürdigen
Fräulein Olga, daß Ihr Andenken mir höchst schmeichelhaft ist. Sie
ist eine Zierde Ihrer Familie und wird ein wahres Kleinod Ihres
Ehegattens werden, der wirklich um so eine Braut zu beneiden wäre. Ich
brauche nicht hinzusetzen, daß ich mit den Ihnen bekannten Gesinnungen
verbleibe Ihr treuer und ergebener Freund Graf Stanhope |
Transkription: B.Wessenberg |