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21.Febr
812 Lieber
Baron Wessenberg! - Aus den beyden Anlagen werden Sie ersehen, dass Ich
zum Behufe der historischen Abtheilung des von Mir zu Grätz für Innerösterreich
errichteten Nationalmuseums dem die dortigen Stände den Namen des
Joanneums gaben, einer Chronik von Kärnthen nachspüre, die den Abt
Johan de Victoria(Viktering bey Klagenfurt) zum Verfasser hat. Sie soll
sich in den oberbaierischen seit 1803 aufgehobenen Abtey Wessenbrunn
befunden haben und ist demnach zuverlässig mit so heilen und noch nicht
genug gewürdigten Schätzen dieser Art in der Münchner Hofbibliothek. Ich
wünsche recht sehr, alldort eine getreue Copie davon verfassen lassen
zu können, was wohl auf keinerley Art einigen Bedenken unterliegen
kann. Obgleich der Austritt des Baron Aretin und der Tod des geheimen
Referendärs Krenner dießfalls einige Stockung erzeugt haben mögen,
bin Ich gewiß, einen kleinen literarischen Zweck durch Ihre gefällige
und thätige Dazwischenkunft sicher zu erreichen. Noch
mehr interessiert mich zu wissen, wo denn die für die Geschichte
Oesterreichs im Mittelalter so wichtigen Archive der ehemaligen
Hochstifter Regensburg und Paßau hingekommen sind ob sie denn auch gehörig
benützt worden seyen. Regensburg
hatte freylich seinen Zwirngibl und Gemeiner aber seit Hansitzens anständischen
Bemühungen durchforschte niemand die für uns so erheblichen Passauer
Urkunden. Wie
sehr wünschte Ich bis zum Jahre 1350 Abschriften dessen zu erhalten,
was Oesterreich betrifft. Die Institution des Joanneums und sein rein
literarischer Zweck sind zu allbekannt, als dass selbst darüber, wo man
alles beargwohnt, ein zwar kaum begreifliches Misstrauen geschöpft
werden sollte. Ich hoffe darüber von Ihnen bald umständlichere Aufschlüsse
zu haben. Es
wird Mich sehr erfreuen zugleich Nachrichten Ihres Wohlergehens und
Ihrer unveränderter Denkart in Folge jener Gesinnungen zu erhalten, mit
welcher Ich stätshin verharre Ihr aufrichtigsterErzherzog JohannWien
den 21, Hornung 812 An
den k.k. außerordentlichen Gesandten und
bevollmächtigten Minister am könig. bayer. Hofe Freyherrn von
Wessenberg Kaiserliche HoheitUnter
Beziehung auf meine gehorsamste Zuschrift am 9. März muß ich Euer
Kaiserl. Hoheit anzeigen, dass ich gleich nach meiner Genesung – sic.
anfangs Aprils – mich auf die Hofbibliothek begab und von dem
befragten Manuscript die Geschichte Kärnthens betreffend Einsicht nahm. Ich
fand leider die Kronik des Abts de Victoria in einem wahrscheinlich noch
schlechteren Zustande als seiner Zeit der berühmte Pezins und kaum war
der Anfang der von diesem litterator exzerpirten Vorrede zu entziffern. Die Schrift ist dergestalt verwirrt, beschmuzt und durch Raturen entstellt, dass man mir auf der Bibliothek geradezu erklärte, man getraue sich kaum Jemanden in München ausfindig zu machen, der im Stande wäre eine nur einiger Maßen getreue Copie davon zu liefern. Ich erhielt die Erlaubniß, den Band Manuscripten, der in dem Register der Bibliothek unter dem Titel: Codex chartaceus Wessofontanum vorkömmt, auf acht Tage zu mir nach Hause zu nehmen, und da habe ich neuerdings versucht, wenigstens mit dem Inhalt dieses Schatzes bekannt zu werden, welches mir jedoch nur insoweit gelungen, dass ich daraus die Aechtheit der Chronik entnahm, und dieselbe als die nämliche erkannte, von welcher Pezius Meldung macht. Sie beginnt mit dem Jahre 1231 und hört mit 1311 auf; ob sie aber vollständig ist, könnte bezweifelt werden. Sie
scheint von späteren Geschichtsforschern berathen und an manchen Orten
berichtigt worden zu seyn. Sie ist mit verschiedenen anderen
Manuscripten, die größtentheils unvollständig sind, zusammen
gebunden, worunter das eine etwas leserlicher obschon auch in sehr abgekürzter
Schrift ebenfalls von der Geschichte Kärnthens handelt. Ich habe hievon
einen Auszug gemacht, welchen ich hier beizulegen die Ehre habe. Auch
von diesem Manuscript hat Pezius Kenntniß gehabt. Bisher sind alle
dergleichen historische Schätze, deren eine sehr ansehnliche Menge in
den Klosterbibliotheken und Archiven in Baieren vorgefunden worden, noch
unbenüzt geblieben und solche nicht einmal noch geordnet. Herr von
Wehtenrieder hat mir versprochen, mir zur Erhaltung der Kopien oberwähnter
Kroniken behilflich zu seyn, insofern sich ein Copist dazu finden
sollte; auf der Bibliothek befindet sich nur ein einziges Individuum,
welches der alten Schriftzüge genau kundig ist, und dieses hat mich
versichert, daß man unter einem Dukaten für den Bogen gewiß keinen
tauglichen Abschreiber finden würde. Ich erwarte hierüber die weiteren
Befehle Eurer Kaiserlichen Hoheit, und werde mich unterdessen noch
besser umsehen, um zu unserem Zwecke zu gelangen. Die
mir gnädigst mitgetheilten Preisfragen habe ich an alle die Gelehrten,
welche in dem Schreiben Eurer Kaiserlichen Hoheit vom 1. März genannt
sind, zugesendet und solche zu deren Beantwortung eingeladen- Die
meisten würden sich gerne damit beschäftigen, wenn ihnen nur mit dem
Inhalt dieses Schatzes bekannt zu werden, die betreffenden Archive zu
benützen gestattet wäre. Dieses fält aber dermalen noch in Baiern
sehr schwer, und ist hierzu bei jedem einzelnen Fall eine unmittelbare
Erlaubnis des Staatsministers Grafen Montgelas von nöthen, welche nicht
leicht zu erhalten ist. Der geistliche Rath Zirngibl versichert mich,
dass in den Archiven des Hochstiftes Regensburg und des dortigen
Domkapitels noch manche bisher unbenützte historische Merkwürdigkeiten
enthalten seyn müsste; beide aber sind noch versiegelt. Ihm selbst sind
nur die Archive der Stifte Ober- und Niedermünster, St. Emmerau und
einige aufgelöbten religiösen Corporationen anvertraut, welche jedoch
für die osterreichische Geschichte nicht von Belang sind. Sehr
bereitwillig allerdings auszuforschen zeigt sich der schäzbare Diakonus
Pfister, welcher mir einstweilen beiliegende Notizen in dieser Abschrift
zugeschickt hat. Er ist dermalen beschäftiget, eine gedrängte
Uebersicht der ganzen Schwäbischen Geschichte bis auf die neuesten
Zeiten in Druck heraus zu geben, welche ich seiner Zeit Eurer
Kaiserlichen Hoheit rinzuschicken nicht ermangeln werde. Auch wird nächstens
der vierte Band seines größeren Werkes über Schwaben die Periode von
1360 – 1400 enthaltend erscheinen. Ich
muß für heute mit dem Bemerken schließen, dass mir die gnädige
Zuschrift vom 4. April erst am 2. des Monats zugekommen ist, so wie mit
der Versicherung, dass ich es mir fortwährend mit wahrem Vergnügen
angelegen lassen seyn werde, die Wünsche Eurer Kaiserlichen Hoheit so
viel als möglich zu entsprechen und jene tiefe innige Verehrung und
ehrfurchtsvolle Anhänglichkeit an Tag zu legen mit welcher ich verharre Euer Kaiserlicher Hoheit unterthanigst
gehorsamster Johann
Wessenberg München
12.Mai 1812 an
Seine des Erzherzogs Johann Kaiserliche Hoheit B.Wbg.
2001
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