Kamingespräch November 2006


Der so genannte Begriff "Altes Europa", welcher im Verlauf von Streitereien im transatlantischen Bündnis öfters hervor gekehrt wurde, erfuhr eine nähere Beleuchtung.  Gerade das 19. Jahrhundert mit seinen vielfältigen Zäsuren im territorialstaatlichen Sinne mit den Ordnungen alter Regionen und neuer Staaten im Zuge von bedeutenden Konferenzen und Kongressen von London, Paris und Wien und anderen Orten, spielt tatsächlich in die Ordnungsgewalten des 21. Jahrhunderts hinein und stellt fast so etwas Ähnliches wie einen global player dar. Dass Brüssel, die Hauptstadt von Belgien, zum Sitz der europäischen Union und ebenso Strasbourg der erste Treffpunkt der "neuen Europäer" wurden, deutet auf die Wichtigkeit historisch-geopolitischer Dimensionen hin.

Dazu eine Notiz des ehemaligen Bundesministers für Justiz em. Univ.Prof. Dr. Hans Richard Klecatsky, die er bei einer persönlichen Begegnung in Innsbruck am 27.10.2006 für diese Veranstaltung mitgegeben hat:

"Die großen in die Zukunft weisenden Ideen und Bewegungen des 19. Jh,, geläutert durch die schrecklichen Leiden des 20., wieder und in neuer Weise in das 21. Jh. zu tragen und nun in diesem zu realisieren, ist unsere Aufgabe, nur dadurch und so ist es möglich, das Versickern der großen Europa-Idee im Wüstensand des bürokratischen Unsinns zu verhindern."
HRK 27.10.06

Em. Univ.Prof. Dr. Alfred Ableitinger stellte in seinem Statement klar, dass man den Begriff "altes Europa" nicht einheitlich verwendet, sondern dass er sich aus verschiedenen Gesichtspunkten her begründet: 

          

1. Talleyrand bezeichnete das Europa vor der französischen Revolution als "altes Europa", da nach der Revolution  vollständig andere gesellschaftliche und politische Strukturen vorlagen als vorher, dies insbesondere in Hinblick auf die "Untertanenverhältnisse", die nun nicht mehr Bestand hatten.
2. Durch die gesellschaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert, der Entwicklung von Bürgerrechten, ergaben sich starke Umwälzungen, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, dass man Europa vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs als "altes Europa" bezeichnete.
3. Ähnlich starke Veränderungen und Einschnitte gab der 2. Weltkrieg, so dass man auch da den Beginn des "neuen Europa" ansetzen könnte.

4. Der Ausdruck „Das alte Europa“ wurde 2003 vom US-amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld auf einer Pressekonferenz des US-Verteidigungsministeriums verwendet. Dies mit deutlich abwertender Bezeichnung für jene europäischen Länder, die eine Teilnahme am Irak-Krieg von 2003 ablehnten oder sich kritisch dazu äußerten.  Rumsfeld könnte aber auch eine zeitliche Unterscheidung  zwischen den europäischen Verbündeten der USA in den vergangenen Jahrzehnten und den europäischen Verbündeten der USA heute gemeint haben. Nach dieser Interpretation wären z.B. Deutschland und Frankreich sowohl Teil des alten als auch des neuen Europas, während z.B. Polen nur Teil des neuen Europas wäre, da es Truppen zur Unterstützung der USA in den Irak sandte.

 

Es wurde dann auf das Wirken von Erzherzog Johann und von Freiherrn Johann Philipp von Wessenberg im Revolutionsjahr 1848 eingegangen und die Auswirkungen auf Europa nach 1848 diskutiert. Große Bedeutung für die Zukunft Österreichs in Europa wird der damals  neuen Verfassung mit ihren sehr liberalen Zügen und die zunehmende auch von Erzherzog Johann  geförderte Industrialisierung (Eisenstraße, Eisenerz in der Steiermark usw.) eingeräumt.

 

Aus  Anlass des 175. Jahr-Jubiläums der belgischen Krone mit dem ersten König, Leopold I von Sachsen-Coburg,  wurde bei dieser Tagung, die durch die Anwesenheit des belgischen Botschafters im Wessenberghaus beehrt war, durch OSTDir. i.R. Dr. Harald Bachmann  der Versuch unternommen, die Leistung Leopolds für Belgien und für Europa heraus zu arbeiten.

Die Auswirkungen der Londoner Konferenzen haben unter Mitwirkung des damaligen österreichischen Bevollmächtigten Freiherrn von Wessenberg, Belgien gemeinsam mit seinem Kollegen Esterhàzy die Trennung von den Niederlanden und die Schaffung des eigenständigen belgischen Königreichs 1831 unter König Leopold I, einem Prinzen aus dem Hause Sachsen-Coburg, beschert. In der Folge zeigte sich die Politik von König Leopold als sehr erfolgreich, so dass Belgien gewissermaßen als Modell in Europa gelten konnte. (Österreich hat u.a. Teile der belgischen Verfassung von 1830 übernommen.)

Das gespannte Publikum erfuhr über die Jugendjahre des Prinzen Leopold in Coburg, seine militärische Laufbahn, seine Heirat, seine Beziehungen zum englischen Königshaus. (Leopold ist u.a. der Onkel  von Queen Viktoria und von deren Mann Albert) und die kluge Politik des Königs, die schließlich Belgien zu einem stabilen Faktor in Europa werden ließ. Dabei kam immer wieder das Gespräch auf den Freiherrn Johann Philipp von Wessenberg, der zu Leopold eine außergewöhnliche Beziehung pflegte:

Lassen wir den österreichischen Diplomaten Johann Philipp Reichsfreiherr von Wessenberg-Ampringen in einem Brief aus Luzern vom 26. September 1854 an seinen Bruder Ignaz Heinrich selbst zu Wort kommen:
"Ich wollte schon vor ein paar Tagen nach Freiburg zurück, da kam aber König Leopold und weilt seit ein paar Tagen bei mir. Wir haben, wie du denkst, manches rekapituliert. Wir kennen einander seit 1810. Er ist sehr alt geworden, wenngleich 10 Jahre jünger als ich."

Noch ein Briefzitat vom 8. Juli 1856 aus Freiburg an Ignaz Heinrich:
"König Leopold hat mir aus Anlass seines Anniversariums der Thronbesteigung einen sehr freundlichen Brief geschrieben, worin er auch deiner gedenkt."

entnommen aus: Kurt Arland "Briefe", Herder-Verlag 1987

Eine kleine Bildershow: Zur Vergrößerung anklicken.

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Bürgermeister Ökon.rat Ing. Gansch, Dr. Hermann, Bürgermeister Ressl, P.H.v.W

 

 

Zur weiteren Erhellung der Beziehung von Leopold I und Wessenberg:

>>>"Prinz Leopold von Sachsen Coburg", ein Ausschnitt aus dem Buch von Alfred Ritter von Arneth über Johann Philipp von Wessenberg. In diesem Buch gibt es zahlreiche weitere Belege dieser jahrzehntelangen Beziehung. Das Wessenberg-Archiv gibt auch über weitere Quellen dazu Auskunft.

>>>Link zum Folder über die Feierlichkeiten des Jubiläums der belgischen Krone bzw. über die Ausstellung "Leopold und Europa" auf Schloss Callenberg.