Wessenberg-Akademie
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Aktuelle Hinweise zum Wiener Kongress 1815 von einem Nachfahren  
 

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Auszug aus dem Artikel über den Wiener Kongress im "Historischen Lexikon der Schweiz"
 
"Der Kongress setzte für die Behandlung der Schweizer Angelegenheit ein sechsköpfiges Komitee ein, dem Kenner der Schweizer Verhältnisse wie der österr. Diplomat und ehem. Basler Domherr Johann Philipp Nepomuk von Wessenberg (Vorsitzender), der Brite Stratford Canning und Ioannes Antonios Kapodistrias als Vertreter des Zaren angehörten."
 

Ein Berg kommt selten allein : Bedeutende Teilnehmer des Wiener Kongresses waren

Hardenberg für Preußen, Rechberg für Bayern, Dalberg für Frankreich, Stackelberg für Russland und nicht zuletzt Wessenberg, der 2. Bevollmächtigte am Wiener Kongress für Österreich.

 

Nr. 12 mit Schreibfeder: Freiherr Johann Phillip von Wessenberg, der 2. Bevollmächtigte auf dem Wiener Kongress 
                     auf http://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Kongress
   

 

Im Jahr 2015 findet das große gesellschaftliche Wiener Ereignis vor 200 Jahren besondere Beachtung. Die Buchläden haben ihre Schaufenster voll mit Neuerscheinungen über diese besondere europäische Versammlung zur territorialen Neuordnung nach Napoleons Eroberungszügen quer durch den Kontinent, bzw. der Koalitionskriege Anfang des 19. Jhdts.

 

Ein bedenklicher Umstand ist die Behandlung, bzw. Aufarbeitung oder Darstellung dieses komplexen historischen Themas. Die Titel, auch jene in den Feuilletons der "gehobeneren" Presse, sprechen für sich. Z.B.:"Kabale und Triebe" (Sdtsch. Ztg., Seite 53 Historie Gesellschaft, Sa./So., 27./28.12.014) oder "Diplomaten, Intrigen und Skandale" (Amalthea Verlag Wien, 1914) der Wiener Autorinnen Christa Bauer und Anna Ehrlich

Sicherlich wissen wir zwischenzeitlich genau, worum es geht, wenn wir diese Berge von Büchern und Artikel zum "tanzenden Kongress" überflogen oder gar durchstudiert haben. Die Berge bleiben aber noch in einem Nebel des Ungewissen und lassen manche Fragen offen.

 

Warum steht beispielsweise eine Reihe von Deutsch klingenden Namen von Persönlichkeiten der Politik, der Diplomatie, des Staatswesens in einer jeweiligen Beziehung zu Nationalitäten wie Frankreich oder gar Russland? Es ist für die heutige EU-Politik vielleicht nicht uninteressant, wenn man weiß, dass es vor 200 Jahren ein Europa im engen Verhältnis mit Moskau gab. Die gesellschaftlichen Beziehungen im politischen, sowie im diplomatischen Raum waren nicht so an Nationalitäten gebunden, wie man sie heute kennt. Die Diffusion in einer aristokratischen Wertschöpfung von Persönlichkeiten hielt sich nicht im Rahmen "eines Herkunftsortes" auf, sondern sie war eben auch und im Besonderen in persönlichen Entscheidungsfeldern gelegen.

Wenn z.B. ein sog. Rheinländer für Frankreich, Österreich oder auch für Russland als Diplomat wirken wollte und sollte, so war das keine Entscheidung einer Partei, sondern nur ausschließlich von der Person, die in Positionen quer durch Europa gerufen oder berufen wurde. Die Besetzung von EU-Kommissionsposten wäre vielleicht heute dafür ein besonderes beispielgebendes Merkmal: Stellen Sie sich vor, Frankreich schickt keinen Franzosen sondern einen Deutschen in eine führende Position nach Brüssel oder Strassburg. Am Beginn des 19. Jhdts. wäre auch ein Schweizer nicht ausgeschlossen gewesen.

 

Und schließlich sollte ein Phänomen der Geschichtsschreibung kritischer betrachtet werden, nämlich das Phänomen "Metternich". Alles dreht und fällt mit diesem Namen, wenn man und frau den sehr mondänen und vergnügungssüchtigen Klub der europäischen Diplomatie oder der Königshäuser während des Kongresses betrachtet. Friedrich von Gentz wird stets als nächster nach Metternich zitiert. Er gilt als Sekretär des Fürsten Metternich oder gar jener des ganzen Kongresses. Lassen wir ihn  in einem an Wessenberg, (seinen zweiten Chef)gerichteten Brief vom Sonntag, den 9ten April 1815 zu Wort kommen. (Mitgeteilt von August Fornier, im Wilhelm Braumüller Verlag, Wien, Leipzig, 1907 – Gentz und Wessenberg, Brief des Ersten an den Zweiten, Seite 86f):

 

"Um 7 Uhr gehe ich zum Diner bey Metternich. Er hört mich, wie gewöhnlich, kaum an. Die ganze Curländische Huren-Gesippschaft war da (in FN vermerkt: Gemeint sind die kurländischen Prinzessinnen Wilhelmine, Herzogin von Sagan, Johanna, Herzogin von Acerenza und Dorothea, die 1809 den Fürsten Edmund Talleyrand, einen Neffen des großen Diplomaten, geheiratet hatte. Die geistreichen Frauen genossen den schlechtesten Ruf.), mithin für andere Menschen kein Sinn. M. hat diese Weiber seit 8 Tagen in alle politischen Geheimnisse eingeweiht; was sie wissen ist unglaublich…… Welche Menschen, mein theurer Freund! Welche Aussichten in die Zukunft! In was für Hände ist die Welt gegeben! So kann es nicht lange mehr gehen…..!”

 

Das ist ein Auszug aus einem Originalbrief von Gentz an den 2. österr. Bevollmächtigten beim Wiener Kongress, dem Reichsfreiherren Johann Philipp von Wessenberg-Ampringen, einem aus uradeliger Familie von der Burgunder Pforte und den sogenannten Vorlanden (Aargau, Sundgau, Breisgau) stammender Herr, der sich auch böhmischer Provenienz als Schloss-u. Landherr von Diettenitz im Bezirk Jičín (Gitschin) in der Region Královéhradecký kraj (Riesengebirge) erfreuen durfte. Wessenberg und Metternich hatten beide gemeinsame Vorfahren aus dem gräflichen Hause von Kageneck (Breisgau und Elsass) und waren somit verwandt.

 

Es soll nun die Rolle von Johann Philipp von Wessenberg stärker beleuchtet werden: Wie stand es um die Arbeit der beiden Kongress-Bevollmächtigten im Rahmen der Geschehnisse  rund um die diplomatischen Aufgaben des Wiener Kongresses? Alfred von Arneth schrieb in seiner 2-bändigen Biographie über Johann Ph.v. Wessenberg einige sehr erhellende Sätze dazu:
"Der mecklenburgische Gesandte Leopold von Plessen berichtet am 19. Dezember 1814 nach Hause, es war einen Augenblick am Werk, den Fürsten Metternich von seinem Posten zu entfernen und dem Feldmarschall Schwarzenberg seine Stelle, unter ihm aber die Direction der Geschäfte dem Baron Wessenberg zu geben." (Bd. II., S.261f)

 

Im Hinblick auf den "Entwurf einer deutschen Bundesacte" (Verfassung) finden wir bei Arneth eine bezeichnende Fußnote (S.276f. 2):
"Wessenberg schrieb am 24. Januar 1851 an den Erzherzog Johann. >Ich habe bei dem Wiener Kongress während elfmonatiger Verhandlungen erfahren, welche Mühe es kostet, unter so vielen Köpfen eine Einigung zu erzielen. ..Die dreizehn ersten Artikel der Bundesacte sowie der neunzehnte sind größtenteils mein Werk…Ich hatte einst nicht weniger als 46 Verfassungsentwürfe auf dem Tisch; es war eine wahre Herkulesarbeit.”

 


2. Unterschrift links unter Metternich:  Siegel und Handschrift von J.Ph. Wessenberg/Wessenberg-Archiv

 

Im Bd. 1 der “Einleitung in die Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts” von Georg Gottfried Gervinus (4.Aufl. Leipzig, Verlag Wilhelm Engelmann, 1864 steht auf den Seiten 299ff  zum Wiener Congreß zum Dez. 1814: "Wessenberg gab einen Entwurf ein, der wesentlich schon das ankündigte, was später geworden ist…Der Entwurf schien damals wenig beachtet, er machte aber seinen Weg im Stillen. Metternich that übrigens nichts ihn sichtlich zu fördern."
Eintrag “v.23. Mai – 19. Juni” auf Seite 301: "In elf übereilten Sitzungen wurde unter Theilnahme Aller und unter dem Drang der Verhältnisse die deutsche Verfassung zu Ende gebracht."
So urteilte ein Historiker rd. 50 Jahre nach dem Wiener Kongress. Erstaunlich!

 

Aus der schweizerischen Ur-heimat der Wessenberg äußern sich noch zwei weitere interessante Persönlichkeiten. Einer war der Genfer Diplomat Charles Pictet de Rochemont. Paul Widmer schrieb in einem NZZ-Artikel in der Literatur und Kunst (vom 4./5. März 2000) über Pictet´s Kontakt auf dem Wiener Kongress:

"Metternichs freundliches Gebaren schätzte er völlig richtig als Ausdruck der Unverbindlichkeit ein….mit Baron von Wessenberg, Metternichs Stellvertreter stellte er eine solide <working relationship< her."

 

Ein Anderer, der thurgauische Diplomat, Politiker und Mann der ersten Stunde der gesamtschweizerischen Verfassung, Johann Conrad Kern, erwähnte gerne die besonders herzliche Beziehung zu Wessenberg, dem "ehrwürdigen Staatsmann, der 1848 als Präsident des Conseils, als Minister des Auswärtigen und des kaiserlichen Hauses eine schwere Bürde trug." (zitiert in der 2bändigen Biographie über den Schweizer von Albert Schoop (1968, Verlag Huber&Co, Frauenfeld, Seite 266f). Auch Wessenberg bezeichnete Dr. Kern (in einem Brief vom 22. Jan. 1857) als "ausgezeichnete Figur".

 

Wessenberg ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Diplomatie Europas im 19. Jhdt. Und das kann als Kapitel der Geschichte des Wiener Kongresses mit all nachfolgenden Ereignissen und Strukturen der politischen Ordnung geschlossen werden mit dem Zitat, das Arneth im Bd. II. seiner Biographie über Wessenberg mit einem Brief von Metternich aus seinem Londoner Asyl am 31. Mai 1848 vorstellt:

"Hätte ich," sagt Metternich in diesem Briefe, "den Mann für die schwere Rolle (als Ministerpräsident) zu benennen gehabt, so würde ich Sie (Johann Philipp von W.-A.) genannt haben, nicht allein deßhalb, weil ich Sie kenne, sondern weil ich weiß, daß Sie die Welt kennen, eine Kenntniß, welche weder in den Wiener Salons noch in den literarischen Vereinen und ganz besonders nicht in der Aula, sondern nur in der Welt erworben werden kann.” (Quelle: In Metternichs Denkwürdigkeiten VIII, 421).

 

Prof. Peter Heinrich v. Wessenberg                                                             

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