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Die Wessenberg-Bibliothek in der Universität Konstanz

Nach langjährigen und kontroversen Diskussionen im Gemeinderat der Stadt Konstanz beschloss dieser im Jahre 2000, dass die Wessenberg-Bibliothek als Leihgabe an die Universität Konstanz gegeben und dort in der Bibliothek aufgestellt werden sollte.

Der Beschluss ist, trotz Verständnisses für die Argumente derjenigen, die in der Übergabe einen Verstoß gegen Wortlaut und Geist des Testamentes von Ignaz Freiherrn von Wessenberg sahen, für seine Bibliothek eine gute und zukunftsorientierte Entscheidung.

Bibliotheken sind Einrichtungen, die genutzt werden müssen und nicht weg geschlossen werden dürfen. Damit dies aber möglich ist, bedarf es eines nicht unbeträchtlichen finanziellen Aufwandes, der nicht nur einmalig, sondern fortlaufend zu erbringen ist. Der Stadt Konstanz war dies in den letzten Jahren immer weniger möglich, so dass sie sich letztlich entschloss, die Wessenberg-Bibliothek der professionellen Obhut der Bibliothekare der Universitätsbibliothek zu übergeben.

Die Wessenberg-Bibliothek besteht, dies hängt mit ihrer Geschichte seit den Tagen ihres Gründers und früheren Eigentümers zusammen, aus verschiedenen Bestandsschichten. Der Grundstock und bedeutendste Teil ist die private Bibliothek von Ignaz Freiherr von Wessenberg. Sie umfasst über 20.000 Bände, die von ihm selbst gesammelt wurden. Nach seinem Tode wurde die Sammlung in seinem Sinne und dem breiten Fächerspektrum folgend, das er der Bibliothek zugrunde gelegt hatte, weiter geführt. Der Charakter der Sammlung veränderte sich dann jedoch allmählich aufgrund der Funktion als „Wissenschaftliche Stadtbibliothek“ der Stadt Konstanz. Eine erneute Veränderung ergab sich, als eine Volksbücherei in Konstanz gegründet wurde und nach dem zweiten Weltkrieg beide Bibliotheken zunächst eher eine gemeinsame Einrichtung waren, später sich jedoch faktisch voneinander trennten und ihren jeweiligen Aufgaben und ihrer Klientel widmeten. Die letzten Jahrzehnte waren, obwohl der zentrale Sammelauftrag „Wessenbergiana“ weitgehend unverändert erfüllt wurde, durch ständige Finanznot, sehr eingeschränkte Öffnungs- und Servicezeiten und schließlich eine unbefriedigende räumliche Unterbringung geprägt.

Mit der Übernahme der Wessenberg-Bibliothek in die Obhut der Universitätsbibliothek Konstanz ergaben sich neue Chancen. Zunächst sind die Bestände, auch wenn die Bücher weiterhin in der Regel für Benutzer nicht frei zugänglich sind, über lange Servicezeiten je Tag erreichbar, indem sie bei Bedarf sofort geholt werden. Das sind im Minimum 89 Stunden je Woche. Dabei handelt es sich, wie früher, teils um Nutzung durch Ausleihe, teils um Nutzung durch Lektüre im Leseraum der Universitätsbibliothek. Ergänzt wird der Bestand nun um den umfangreichen historisch-philologischen Bestand der Universitätsbibliothek, so dass auch die gesamte erforderliche Sekundärliteratur, Quellenwerke, Bibliographien, Primärliteratur von Zeitgenossen für die wissenschaftliche Arbeit vorhanden sind. Dazu kommen internetfähige PCs, Kopiergeräte, audiovisuelles Material, Karten usw.

Eingebunden ist die Wessenberg-Bibliothek außerdem durch die weiter geführte Katalogisierung des Bestandes, die teils aus universitären Mitteln, teils aus solchen  der Stiftung Kulturgut des Landes Baden-Württemberg finanziert wird. Selbstverständlich geht es dabei um maschinenlesbare Daten, die in Katalogen verzeichnet sind, die über das Internet konsultierbar sind. Dadurch wird der Bestand auch einem Publikum bekannt und zugänglich gemacht, das sich bisher nur durch Arbeit vor Ort  mit dem Bestand vertraut machen konnte. Die elektronische Katalogisierung trägt insofern Früchte, als Anforderungen von anderen Bibliotheken kommen, die die Unikate der Wessenberg-Bibliothek für ihre Benutzer benötigen. Das zeigt sich in gut vorbereiteten Bibliotheksreisen von Wissenschaftlern, die nun gezielt nach Konstanz kommen, um mit bestimmten Werken zu arbeiten.

Auch die Möglichkeiten der Bestandserhaltung haben sich durch die Verlagerung an die Universität deutlich verbessert. Werke, die im Laufe der Jahrzehnte beschädigt wurden, können repariert werden, weil auch hier die Universität bzw. ihre Bibliothek Mittel in den Erhalt der Druckwerke investiert.

Es gibt Aufgaben, die noch angepackt werden müssen. Die Wessenberg-Bibliothek enthält eine Fülle von Werkgruppen, die einer gesonderten, auch inhaltlichen Aufarbeitung harren. Als Beispiele seien die Reisebeschreibungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert genannt oder die Sammlung medizinischer Werke oder die zur Wessenberg-Bibliothek gehörende „Museums-Bibliothek“. Möglicherweise bieten sich hier Anknüpfungspunkte, die von sachkundigen Personen benutzt werden können, um Werke ans Tageslicht zu befördern, die heute völlig aus dem Blickwinkel geraten sind, gleichwohl als Quellen unentbehrlich sind.

Die Übernahme sollte also nicht als Endpunkt einer nicht immer zufrieden stellenden Situation gewertet werden, sondern als Anfangspunkt einer neuen Zukunft der Wessenberg-Bibliothek.

K. Franken