Heute habe ich in meinen alten Tagen etwas hinzu gelernt: Man kann über alles reden, nur nicht über zehn Minuten, und ich will versuchen dies alles unter einen Hut zu bringen! Wie Sie wohl wissen mögen, haben alle Burgen und Schlösser ihre Geschichte. Die meisten sind sagenumwoben; so auch unsere Wessenburg. Ich möchte Ihnen diese vorzulesen nicht vorenthalten, sie heisst auf "Schwiezerdütsch " O' Schlossjumpfere“, wie sie jedem Kind bekannt war, oder auf gut Deutsch: Die Schlossjungfer Zu meiner Person: Ich bin der Noggerus Vilikus de Hotiwilare. Als Sohn eines Waldbauern aus dem Schwarzen Wald erblickte ich im Jahre des Herrn, Eintausend null Hundert und siebundneunzig das Licht der Welt. Ein alter Gottesmann lehrte mich lesen und schreiben und ein gutes Stück Latein dazu. Aus diesem Grunde bin ich als ein Freier von Hottiwilare 1137 von der Abtissin von Säckingen zum Vorsteher dieser Siedlung ernannt worden, welche dem Damenstift Säckingen angehörte und in die beiden lieblichen Juratälern von Mandach und Hottwil eingebettet lag, und weit verstreut von Etzwil über Mandach bis HottwiI reichte. In Mandach dem Hauptsitz der Siedlung war der Meier und in Hottwil wirkte ich als Gutsvorsteher. Der sog Dinghof "Hottiwilare" war einer der fruchtbarsten im Besitze der Säckinger, und gemäss früheren Weisungen von Karl dem Grossen, den Weinbau wegen seiner sakralen Bedeutung im Kirchendienst einzuführen, versuchten wir dies an unseren sonnigen Hängen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich alles zu einem guten Gelingen und als die Äbtissin diesen Wein vorzüglich fand, nannten wir ihn nach den damaligen Freiherren auf dem Schloss schon damals "Wessenberger"! So amtete ich bis zum Jahr 1157 und im Januar 1168 klopfte Freund Hein bei mir an und nahm mich mit in die Ewigkeit. Nun kommt es vor, dass ich in klaren Nächten meine stille Ruhestätte verlasse und auf den Burghügel steige, wo zu meiner Zeit die stolze Wessenburg trohnte und weit in die vorderösterreichischen Lande hinein leuchtete. Eine innere Stimme sagte mir, dass sich unter dem Ruinenhügel verborgene Kräfte bewegen, sich etwas rühre. So stand ich neulich wieder einmal in einer hellen Vollmondnacht droben auf dem Berg, um zu spähen und zu lauschen; doch wie immer ------ lauter nichts-------- da -----was war das -----ein leises klares Singen, es klang wie gesponnenes Glas -----etwa zwanzig Schritte von mir entfernt huschte eine feenhafte Gestalt vorüber. Ich ging ihr nach und fragte sie nach ihrem Tun, wobei sie leise erschrak. Nun wusste ich, vor mir stand in einem strahlend weissen Kleid im gleissenden Mondlicht die gesuchte Schlossjungfrau. Wieder etwas gefasst erklärte sie mir, dass sie im Schlossgarten ein Mondbad nehmen wolle, da sie als Hüterin des Burgschatzes weder Sonnenlicht noch Lärm ertrage; und heute sei es doch so still hier oben! Ich fragte sie, ob sie denn wisse, dass eben auf dieser Burgwiese demnächst ein historisches Fest von den Nachkommen ihrer Ahnen stattfände. Nein sagte sie und fragte verwundert; ja gibt es denn diese noch? Ja sagte ich und die direkten Nachfahren kämen 3 Tagesritte weit vom fernen Innsbruck hergereist; ihre Verwandten und Bekannten aus dem nahen Ausland auch; die Bevölkerung der drei umliegenden Dörfer sei auch da, auch Vertreter unserer Regierung seien geladene Gäste. Ich fragte sie danach, ob sie sich all diesen Hergekommenen nicht kurz zeigen wolle? Da besann sie sich lange.Ja es ist wohl eine verpflichtendes Muss, mich dieser illustren Schar vorzustellen, jedoch nur unter zwei Bedingungen:
1.
Es muss dunkel sein Also meine Herrschaften, es liegt nun an Ihnen, ob die verklärte Schlossjungfrau hervortritt oder nicht! Erst wenn man eine Stecknadel ins Gras fallen hört, wird sie erscheinen. Und es herrschte tatsächlich solch absolute Stille, dass das (zahlreiche) Publikum, wie weggeblasen schien. Dann trat die Schlossjungfrau in königlicher Würde ins blaue Scheinwerferlicht mit ihrem Gedicht, und die helle Mondsichel machte sich hinter den Wolken hervor, um die natürliche Kulisse in stimmungsvoller Hintergrundbeleuchtung märchenhaft erscheinen zu lassen, als hätte die Vorsehung gewusst, was sich da abzuspielen begann:
Ach träum ich? Bin ich wach ?
Als Hüterin des Wessenberg'schen Schatzes
Ich schätze Euer Kommen sehr; Sie verschwand, wie sie gekommen war. Noggerus Vilikus trat nochmals in's Scheinwerferlicht, bedankte sich beim, Publikum für die disziplinierte Ruhe und sagte: Tut wie die Schlossjungfrau sagte: Haltet gar Einkehr! Seid in fröhlicher Runde beisammen, so lange Ihr es für gut findet, und vergesst nicht den Fanfaren-Bläsern am morgigen Waldfest im Loorholz die Ehre zu erweisen! Also gute Nacht, und auf Wiedersehen in hundert und siebenundvierzig Jahren anlässlich der Tausendjahrfeier von Hotiwilare!
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