Keine Treuschwüre für Porzellan-Naturen

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Die  Gebrüder Wessenberg und die Familie Bonaparte

Ein- und Ausblicke der Wessenberg-Akademie

vorgestellt von

Prof. Peter Heinrich von Wessenberg

Beitrag  zum Buch "Napoleons Liebesschwüre und andere Köstlichkeiten aus den Hofbibliotheken der Königin Hortense", das anlässlich einer Ausstellung des Napoleonmuseums, Arenenberg in der Schweiz erschienen ist.

 

 

Ignaz Heinrich und Johann Philipp Freiherrn von Wessenberg, gemalt von Wendelin Mosbrugger,
Aquarell auf Elfenbein, Augustinermuseum Freiburg

 
       Beziehungen in der Welt der Diplomatie sind in nationalen Geschichtsschreibungen festgehalten. Die „europäische Geschichte“ ist noch nicht geschrieben. Wer sollte dies auch vermögen? Ein Franzose, ein Österreicher oder ein Deutscher?  Johann Philipp v. Wessenberg schrieb am 26. Februar 1803 in Paris folgende Zeilen an seinen Bruder Ignaz Heinrich nach Konstanz: „Dass du Edward Gibbon´s ‚Geschichte des Verfall und Untergang des römischen Reiches’ liest, - mein Lieblinsstudium nebst Montesquieu - freut mich sehr. Die Franzosen schreiben nichts dergleichen. Gibbon schrieb sein Meisterwerk in der Schweiz – es scheint die Luft dieses Landes ist dem historischen Genie vorzüglich gedeihlich.“

 Zur Erforschung der Familiengeschichte haben sich die Nachfahren der berühmten Brüder Wessenberg die Gründung einer Akademie einfallen lassen und das in der Schweiz wohlgemerkt. Nicht allein aus dem obig genannten Grund, der als literarische Köstlichkeit bezeichnet werden kann, sondern weil das Uradelsgeschlecht Wessenberg aus schweizerischen Landen kommt.

Im Jahre 2001 haben sich im aargauischen Hottwil (vermutlich ältester Wessenberg-Ort mit Stammburg und 1072 urkundlich belegter Kirchgründung) erstmals Vertreter der historischen Wessenberg-Orte von Frankreich, der Schweiz, Deutschland und Österreich zusammengefunden. Das Ziel ist,  die Welt der Bibliotheken, der Literatur, der Autographen und Briefe aus einem der ältesten Kulturräume Europas transparent zu machen und die mittels einer grenzüberschreitenden 1000-jährigen Familiengeschichte diffundierten Geschichts-materialien in unsere Medienzeit zu transportieren und digitalisieren.

Nun zu den Brüdern Wessenberg. Sie sind 4 und 5 Jahre jünger als Napoleon Bonaparte und sie haben eben ihre Studien beendet, als der große Korse General wurde. Zu Beginn des Konsulats Napoleons 1799 war Johann Philipp, der ältere Wessenberg, Kriegsberichterstatter im Hauptquartier der österreichischen Armee und Ignaz Heinrich wurde Domkapitular in Konstanz. Also, unterschiedlichere Schicksalskreuzungen kann es nicht geben, wenn man die Bewegung von Personen aus den Lagern der Armee und der Diplomatie oder der Kirche ansieht. Auf der Wessenberg´schen Ebene waren alle Schritte vorgezeichnet. Ämter, Würden, Auszeichnungen und Taten. Das Letztere soll nun unsere Betrachtung befördern. Die Taten sind das Phänomen des Willensmenschen, des Generals, des 1. Konsuls und des Kaisers, dem nichts geebnet, vorgegeben, aufbereitet, sozusagen zur Verfügung stand. Es wurde verfügt und in diese Geisteshaltung und auf diese Kraft, sowie die möglichen Quellen derselben, da steigen wir auch mit den Brüdern Wessenberg ein.

 

     Es ist, wie eingangs aus dem Brief aus Paris zitiert, die Zeit nach dem Staatsstreich Bonapartes, in der sich die Brüder auf ihren verschiedenen beruflichen Ebenen ins Zentrum der napoleonischen Machtsphäre begeben haben. Im Winter 1802/03 hat sich der angehende Diplomat Johann Philipp sehr gut und ausgiebig in der Pariser Gesellschaft unterhalten dürfen. Besondere Erwähnung verdient  sein „Journal de Paris“ (Original im Wiener Haus-Hof- und Staatsarchiv in französischer Sprache; gedruckt in Fribourg „Souvenirs d´un séjour à Paris durant l´hyver de 1802-03“). Neben seinen Bemerkungen zu den Damen, insbesondere der Staèl, der Récamier und der Tallien schildert er seine Begegnung mit Josephine: „Sie begann bei dem ersten großen Empfang, welchen Bonaparte im Februar 1803 in St.Cloud abhielt die Runde durch die Gästeschar zu machen. Sie war offenbar etwas verlegen, liebenswürdige Worte für Personen zu finden, welche sie nicht kannte und deren Namen sie zum ersten Male hörte. Napoleon aber folgte ihr in geringer Entfernung und schien äußerst zufrieden.“ Es ist also nicht unbedeutend, wenn die Laufbahn des großen Staatsmannes mit einer intensiven Bekanntschaft mit Napoleon I. in Paris seinen Anfang nahm. Inwieweit er auf die Stieftochter Napoleons, die Tochter Josephines, nach der erzwungenen Heirat mit dem Bruder Louis mit dem Titel „Madame Louis Bonaparte“ versehen, die spätere Königin Hortense, zuzugehen vermochte, das ist noch ein Rätsel.

Verlieren wir das Bruderverhältnis nicht aus den Augen. Mit einem Brief an Ignaz Heinrich, der kurz nach obigem Ereignis am 8. März 1803 in Paris verfasst wurde, teilte Johann Philipp eine Anektode mit, die ein gewisses Licht auf seine diversen Reflexionen über die Ereignisse und ihre persönliche Färbung wirft. Er schreibt: „Konstanz kommt nun definitif nicht mehr zur Schweiz. Unter uns gesagt....es war beim Lunéviller Frieden der Antrag der französischen Regierung, alle auf dem linken Rheinufer liegenden österreichischen Besitzungen zur Schweiz zu schlagen – allein Joseph Bonapartes geographische Kenntnisse reichten nicht so weit zu wissen, dass auch Konstanz jenseits liege, und so geschah es, dass es vergessen wurde.“

 

          Dieser Kunstgriff der Geschichte führen die Wessenberg-Biographien über das Directoire, sowie die nachfolgende Epoche des Empires, oder, wie es ein bisschen zeitlich verschoben in Österreich, ins Biedermeier heißt,  auf das Zentrum der damaligen europäischen Diplomatie, auf Wien, das auch ein wenig wie Berlin für „Porzellan-Figuren“ geschaffen schien. „Treffliche“ nannte sie der große Schreiber und Diplomat Gentz, der mehr als einmal zwischen Wessenberg und seinem Vetter Metternich stand und der auch den Letzteren in seiner eigenen Staatskunst zur überstilisierten Zerbrechlichkeit hin mahnte. Wessenberg, ein Nichtösterreicher von Geburt, huldigte Zeit seines Lebens einem gemäßigten Liberalismus, der sich mit einer fast bewundernden Achtung für Napoleon verband. Das implizierte sicher keinen Treueschwur für das Wien und eine große Strecke der Habsburgpolitik von diesem mitteleuropäischen Zentrum.

        Nochmals Paris. Wie in den von Friedrich Gentz übersetzten „Betrachtungen über die Französische Revolution“ von Edmund Burke festgestellt wird, „ist die Macht der Stadt Paris offenbar eine der wichtigsten Springfedern in ihrer ganzen Politik.“ Bevor wir über das Staatsschiff der Donaumacht im Kielwasser des französischen Empire weitere Bemerkungen abgeben, sollten die napoleonischen Kontakte und Erfahrungen vom jüngeren Wessenberg während dem Pariser Nationalkonzil von 1811 angesprochen werden. Ganz klar hat daselbst Ignaz Heinrich in vielerlei Hinsicht intime Kenntnisse von dem Handeln und dem Charakter von Napoleon erhalten. Es geht hier nicht um die Darstellung eines geschichtlichen Ereignisses, sondern um eine Aufnahme und ein Forttragen von Kraft, welche kennzeichnend für den Weltgeist wurde. Wessenberg zitiert Napoleon: “Qu´il fallait refouler les Barbares du nord dans leurs déserts et prévenir leur débordement sur l´Europe civilisée. »

Im Jahre 1812 hatte Napoleon mit einer halben Million Soldaten seinen Zug nach Russland unternommen. Johann Philipp von Wessenberg wurde von Metternich  1813/14 nach London als österreichischer Geschäftsträger beordert. Das Schicksal brachte auf seiner Rückreise über Frankreich (Teilnahme an den Friedensverhandlungen in Chatillon) ein besonderes Zusammentreffen mit Napoleon, der kurz darauf in sein Exil auf Elba verbannt wurde. Johann Philipps Fahrt durch die Fronten der sich auflösenden Bauernarmeen gestaltete sich einigermaßen schwierig und er musste öfters seine ganze Autorität und seinen letzten Mut aufbringen, um nicht von den marodierenden Soldaten umgebracht zu werden. Beraubt wurde er zumindest einige Male bis er es auf abenteuerliche Weise fertig brachte, zum französischen Hauptquartier und damit zu Napoleon vorzudringen. Es war die einzige Rettung für ihn. Er durfte auf seine alte Bekanntschaft mit dem unglücklichen Kaiser zählen und er täuschte sich nicht. Wessenberg beschreibt es selbst in seinem «Résumé de la conversation de l`Empereur Napoléon avec le Baron de Wessenberg au quartier-général à Saint-Dizier le 28. mars 1814. » „Als ich in meinem grotesken Aufzuge (in zerrissener verschmutzter Kleidung) vor Napoleons Haus vorfuhr, sah dieser heraus und lächelte. Nie werde ich die schmackhafte Schöpsenkeule mit weißen Bohnen vergessen, die mir der Held des 19. Jahrhunderts vorsetzen ließ. Das köstliche Gericht war für Napoleon selbst bereitet worden, der es in zuvorkommender Weise an mich abtrat.“ Man könnte jetzt die politischen Aspekte der Begegnung erläutern, jedoch sind wir auf Köstlichkeiten aus und beschränken uns daher mit den Bemerkungen über die „Porzellan-Figuren“, insbesondere über Metternich und den Wiener Hof. Napoleon sagte zu Wessenberg:

Kann Metternich vergessen, dass meine Heirat mit einer österreichischen Erzherzogin sein Werk ist? Ihr Kaiser scheint seine Tochter nicht zu lieben; liebte er sie, so könnte er nicht gefühllos für ihr Leiden sein. Ich beging einen großen Fehler, als ich mich mit ihr vermählte. Hätte ich eine russische Prinzessin geheiratet, so befände ich mich nicht auf dem Punkte, auf welchem ich jetzt stehe.“

Die „Köstlichkeiten“ des Geschichtsbuches sind oft blindwütig. Personen des Leidens werden zu leidenschaftlichen Individuen und Figuren des öffentlichen Lebens erhalten eine Aura, wo es oft nur eine falsche Aureole war. Kostbar sind die Relikte und die Memorabilien allemal und wir schätzen die Empfindungen, welche beim Betrachten von alten Gegenständen, Schriften und Büchern von berühmten Persönlichkeiten aufkeimen und Entfaltung finden können. Die Bibliothek von Ignaz Heinrich von Wessenberg ist solch ein Beispiel. Aber mehr noch die Briefe von Bruder zu Bruder. Und hier stehen oft die Künste und das Nichtkönnen miteinander im Wettstreit. Beispiel: Johann Philipp schreibt zum Sammeln von Büchern am 11. Juni 1827. „Göthe ist ein altes Weib, das noch ärger als Mde. de Genlis (französische Schriftstellerin Stephanie F.de Saint-Auvin, Gräfin von Genlis, Autorin von 10 bändigen Mémoires und ca. 100 Romanen, gestorben 1830 in Paris) radotiert, welche wenigstens mehr von der eigentlichen Welt weiß; ich begnüge mich mit der alten Auflage seiner Werke und will die neue entbehren, solche complaisances litteraire nehmen einem das Geld zu nützlichen Ausgaben.“ Und der unsterbliche Goethe sagte selbst einmal in Hinblick auf Napoleon und die Usurpation von europäischen Fürsten: „Rüttelt nur an euren Ketten, der Mann ist euch zu groß!“  In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, wenn wir noch darauf hinweisen, dass die Wessenberg zum „reichsunmittelbaren Adel“ zählten und dass mit der Einleitung des Prozesses der Kodifikation (Code civil) durch Napoleon dieser Status ein für allemal beendet wurde. Nur ein letztes Zitat zu Napoleon I. und damit kehren wir auf dem Arenenberg im Thurgau ein. Königin Hortense und ihr Bruder, der Herzog von Leuchtenberg, luden den letzten Konstanzer Bistumsverweser Wessenberg, aber vor allem den gelehrten Aristokraten alten Stils mit liberaler Gesinnung auf ihr Landgut, ihr Schlösschen und empfingen manch väterlich geistigen Rat, der sich besonders auf  Louis Napoleon bezogen hat. Einmal aber sagte Wessenberg zur Königin wegen ihrer Klage über die Undankbarkeit mancher Fürsten, die Kaiser Napoleon alles zu verdanken hätten: „Ganz richtig Madame! Aber eben hierin liegt beides, die Schuld und die Nemesis, die der Kaiser selbst sich bereitet hat, denn hätte er der Sache der Völker, wie der Fürsten, sich angenommen und nur halb so viel für jene, wie für diese gethan, seine Geschicke wären sicherlich anders verlaufen.“

Im brüderlichen Dialog der Wessenberg gab es manche unterschwellige Kritik. Sie bezog sich auch auf die Geschichte und die Entwicklungen mit Bezug mit den freundschaftlichen Kontakten am Arenenberg. Der „Clan Napoleons“, wie sich heute  manch  historischer Autor zur Familie im Schatten des Imperators zu äußern pflegt, versetzte manches Mal die Brüder Wessenberg in nicht unerhebliche Sorge. Am 20. August 1827 schrieb Johann Philipp an Ignaz Heinrich: „Die Gesellschaft am Arenenberg hat immer einige Bedenklichkeiten...“ Gemeint ist hier wohl die Vergnügungssucht von Prinz Louis Napoleon, dem späteren Kaiser Napoleon III., wozu sich auch schon Ignaz Heinrich an die Königin Hortense gewandt hatte, indem er ihr riet, ihrem Sohne „einen passenden Zügel anzulegen“. Alle Entdeckungen und Wiederentdeckungen des freundschaftlichen, ja väterlichen Kontaktes Wessenbergs mit den Napoleoniden – wie etwa der Versuch einer Verehelichung des genannten Prinzen mit Mathilde von Montfort aus Florenz, Tochter von Napoleons Bruder Jérôme Bonaparte, des Königs von Westfalen und des Grafen von St. Leu und Prinzessin Katharine von Württemberg, mit Unterstützung von Ignaz Heinrich (er wurde vom Vater der vorgesehenen Braut, mit einer Vollmacht versehen, ihn im Fall eines Verlöbnisses zu vertreten!!) ­- sollen in dieser Betrachtung nicht weiterverfolgt werden. Allerdings möchte die im Aargau ansässige „Wessenberg-Akademie“ diese komplexe Geschichte als einen ‚Forschungsansatz’ verstanden wissen.

       

       Wie geht es weiter mit den „Porzellanfiguren“?  Keinen Treueschwur für Österreich gab der Markgraf Wilhelm von Baden. Er war im Dienste des napoleonischen Heeres. Die Familie von Wessenberg entdeckte vom späteren Präsidenten der 1. Badischen Kammer persönliche Schreiben an Johann Philipp. Noch ein Forschungsansatz! Auch die angeblich verschollenen Briefe des berühmt-berüchtigten Lord Stanhope haben sich im Familienarchiv gefunden und es geben die Autographen versteckte Hinweise auf ein großes noch unbekanntes Feld von geistiger Beziehung in einer Weltdiplomatie, die nicht in „Ländergeschichten“, sondern nur in „universalhistorischem Geist“ (Golo Mann, Geoffrey Barraclough) aufgearbeitet werden kann. Man kann nie genug Hinweise auf die Quellen wichtiger privater adeliger Archive geben!  Ebenfalls  große  Denkwürdigkeit  besitzen  die Bilderalben.  So  steht im Freiherrlich Wessenberg´schen Familienarchiv (Privatbesitz) ein Fotoalbum mit Darstellungen von befreundeten Mitgliedern des Hauses Bonaparte. Ein Vergleich eines auffälligen Briefinhaltes von Stanhope aus der Zeit des Krimkrieges 1854 (mit Spezialgrüßen an die Großnichte von Ignaz Heinrich von Wessenberg) mit der Vorstellung einer Abbildung des an demselben teilnehmenden Prinzen Napoleon Joseph Charles Bonaparte, mit dem nickname Plon-plon (ursprünglich Craint-plon o. Fear-bullet) benannt, dem Bruder von Mathilde, in einem Familienalbum der Enkelkinder von Johann Philipp von Wessenberg, zeigt die Notwendigkeit einer tieferen Recherche einer möglicher Weise besonderen Köstlichkeit des geschichtlichen Verwirrspiels zwischen der Kraft der „Geister“ und jener der Heroen im Europa des 19. Jhdts.

Die Tochter von Johann Philipp, Ludowika von Wessenberg, verehelichte Gräfin von Blankensee, teilt im Dezember 1833 ihrem Vater in London (wo er österreichischer Gesandter ist) mit, dass sie in Florenz eine gute und sehr gefällige Aufnahme bei Mde. Jérôme Bonaparte, eines Fürsten von Montfort im Exil (eines späteren Marschalls und Prinzen von Frankreich 1850 bis zum Tode 1860) empfing. Diese Nachricht eilte sofort per Post nach Konstanz zu Ignaz Heinrich, der sicherlich befriedigt zu Kenntnis nahm, dass seine Nichte ihren Logenplatz im Theater der „großen Welt“ findet und dies auch Dank der guten Dienste und einiger verwandtschaftlicher Verbindungen
Die Lebensreise unserer Brüder Wessenberg neigt sich dem Ende zu. Als Kaiser Napoleon 1821auf Sankt Helena 51-jährig starb, da ging auch bei dem damals 47-jährigen Johann Philipp ein Riss durch seine diplomatische Laufbahn. Er beurlaubte sich, während sein Bruder Ignaz Heinrich in der Ständeversammlung Badens eine nicht unwichtige Rolle spielte. Viel ist geschehen, worüber noch viel zu wenig gesagt und geschrieben wurde. Forschungsansätze für die Wessenberg-Akademie ergeben sich, wenn Friedrich von Gentz, der Sekretär Europas, „zu dessen Dinnerparties in Wien nur ein intimer Kreis von Auserlesenen zugelassen war, darunter der junge Kronprinz Wilhelm von Württemberg, für den er eine Schwäche hatte, die Minister Metternich, Talleyrand, Humboldt, Stadion und Wessenberg“ (Golo Mann über F.Gentz, 1947, Europaverlag Zürich), an den Letztgenannten in einem Brief über das ‚von Österreich aufgegebene Heimfallsrecht auf den Breisgau’ im Dezember 1815 geschrieben hatte, dann ist eine Seite der historischen Problematik aufgeschlagen worden, aber nicht wissenschaftlich thematisiert. Und wenn Karl Marx in der in New York erscheinenden Zeitung „Die Revolution“ 1852 über den „18te Brumaire des Louis Napoleon“ schrieb:
 

In § 44 der Konstitution heißt es, der Präsident der Französischen Republik darf nie seine Eigenschaft als französischer Bürger verloren haben. Der erste Präsident der Französischen Republik, L.N. Bonaparte hatte nicht allein seine Eigenschaft als französischer Bürger verloren, war nicht nur ein englischer Spezial-Konstabler gewesen, er war sogar ein naturalisierter Schweizer.“ Auch der ältere Wessenberg, Johann Philipp, hatte in den Schriften des Karl Marx im Jahre 1848 Erwähnung gefunden, als er als direkter Nachfolger von Metternich, das Schicksal Österreichs wie selten jemand so krass am eigenen Leib verspürte. Er war in das Amt des Ministerpräsidenten und als Außenminister berufen und er erlebte das Geschehen der Revolutionswirren in Wien und die Ereignisse der Frankfurter Paulskirche hautnah. 10 Jahre später verstarb er in Freiburg im Breisgau. Zur selben Zeit, 1858, gebar seine Enkelin Olga Baronin von Wessenberg, die Tochter seines Sohnes Heinrich, in Paris in Nachbarschaft des Palais Royal einen Sohn namens Pierre Maria. Und dieser schrieb dann später einmal als Titel über sein Tagebuch VII (1907): „Aufgewachsen im Napoleonischen Sagenkreis“. In der Wessenberg-Akademie  wurde begonnen diese bisher unbekannten Schriften mit einem höchst brisanten Inhalt zu durchsuchen und in den historischen Diskurs zu stellen.

Wie der Titel sagt, in dieser Geschichte gibt es „keine Treueschwüre für Porzellan-Naturen“.


A u s g e w ä h l t e  L i t e r a t u r:

Arneth, Alfred Ritter von: Johann Freiherr von Wessenberg. Ein österr. Staatsmann des 19. Jhdts., in 2 Bden. Wien, Leipzig, Braumüller, 1898

Ignaz Heinrich von Wessenberg: Unveröffentlichte Manuskripte und Briefe Hg. v. Kurt Aland und Wolfgang Müller, Bd.I/1 Autobiographische Aufzeichnungen, erschienen 1968; Bd. II Die Briefe Johann Philipps von Wessenberg an seinen Bruder, erschienen 1987 – bde. Herder Freiburg, Basel, Wien.

Fournier, August: Gentz und Wessenberg, Briefe des Ersten an den Zweiten, Wien, Leipzig, Braumüller, 1907

Witticher, Friedrich Carl: Johann von Wessenberg über Friedrich von Gentz, in: Mitt. d. österr. Inst. f. Geschichtsforschung MIÖG, 28, 1907, Seite 631ff

Mann, Golo: Friedrich von Gentz. Geschichte eines europäischen Staatsmannes, Europa Verlag, Zürich, 1947

Die Revolution. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften, Hg. v. J. Wendemeyer, 1.Heft. „Der 18te Brumaire des Louis Napoleon von Karl Marx. New York, Dtsche.Vereinsbhdlg von Schmidt u.Helmich, 1852

McGuigan. Dorothy G.: Metternich, Napoleon u. die Herzogin von Sagan, Fritz Molden Verlag, Wien, 1979

Burke, Edmund: Betrachtungen über die Französische Revolution( dtsch. Bearb. v. F. Gentz) Suhrkamp, Fft.a.M., 1967

Gervinus, Georg Gottfried: Einleitung in die Geschichte des 19. Jhdts., SammlungInsel 24/I, Fft.a.M. 1967

Der Autor, Nachlassverwalter und Oberhaupt der Freiherrl. Familie von Wessenberg-Ampringen, vierfacher Urenkel und Urgroßneffe von den berühmten Wessenberg-Brüdern des 19. Jhdts., ist Bildungs- u. Wissenschaftsjournalist (Mitgl.d.EUSJA) mit Wohnsitz in Österreich. In Anerkennung seiner publizistischen Leistungen (u.a. als Korrespondent des Europarates in Straßburg) erhielt er vom  österr. Bundespräsidenten den Berufstitel „Professor“ verliehen.

01.11.02